Stellungnahme zum Kabinettsentwurf für ein Bayerisches Integrationsgesetz

05. April 2016-1-3

Selbstgebautes Musikinstrument (Krar) eines eritreischen Flüchtlings.  Der junge Mann hatte Heimweh.

 

Vorab und gerade in diesem Kontext sei anzumerken,
dass etliche der in Eichenau wohnenden Asylbewerber seit Monaten darauf warten,
einen staatlich geförderten, professionell angelegten Deutschkurs besuchen zu dürfen.
Gerade unsere motiviertesten Flüchtlinge werden von Woche zu Woche in ihren Hoffnungen enttäuscht
und sind dazu verdammt, ihre Zeit in den überfüllten Unterkünften totzuschlagen.

Was für eine Verschwendung.

Das geplante Integrationsgesetz setzt vor allem auf Sanktionen,
anstatt praktisch und konkret dafür zu sorgen,
dass unsere Asylbewerber so schnell wie möglich Deutsch lernen,
um dann bald mit einer Ausbildung beginnen zu können.

Wir haben einen unserer Schützlinge, einen Versuch war das Wert,
im Fürstenfeldbrucker Jobcenter für ein Sonderprogramm für Flüchtlinge angemeldet
und warten seit einem Monat auf einen Termin.

In München haben wir die Ausbildungsstätte eines großen Betriebes besucht.
Hier wird gerade ein Sonderprogramm für Asylbewerber ins Leben gerufen.
Obwohl unsere Schützlinge von ihrem Lebensweg, von ihren Interessen und ihrem Engagement
sehr geeignet für diese Ausbildungsmaßnahme geeignet wären,
werden sie wahrscheinlich an diesem Programm nicht teilnehmen dürfen.
Ist nur für Münchener.

In der Praxis ist das Problem nicht die mangelnde Integrationswilligkeit der Asylbewerber,
sondern die mangelhafte Politik unserer obersten Leitkulturträger.
Monatelang, tagtäglich und unaufhörlich wurde die Obergrenze für Flüchtlinge gefordert.
Die Grenzen sollten geschlossen werden, die AFD sprach vom Schusswaffengebrauch,
es wurde gänzlich vergessen, dass hier von Menschen die Rede war,
von Menschen die nicht ohne Not ihre Heimatländer verlassen hatten.,

Im Augenblick ist diese Frage nicht mehr akut.
Kaum noch ein Flüchtling schafft es noch bis Deutschland.
Zwar wurden nicht die Fluchtursachen beseitigt,
weder wurden Kriege beendet noch die Not,
aber bei uns herrscht fast schon wieder die alte Ordnung.
Und woran es noch fehlt, daran arbeitet unermüdlich die bayerische Staatregierung.

In diesem Sinne, schließlich und endlich,
zum vorliegenden Entwurf des bayerischen Integrationsgesetzes:

Die hier vorgegeben Ziele, wie der Spracherwerb für Erwachsene,
die Sprachförderung von Kindern vor der Einschulung,
keine Wohnghettobildung und nicht zuletzt die Anerkennung der Werte des Grundgesetzes
sind zwar zu befürworten, aber dazu braucht es weder Sanktionen noch Drohungen,
sondern praxisgerechte Fördermaßnahmen.

„Bei der Begriffsbestimmung werden alle Einwandererinnen und Einwanderer genannt
selbst diejenigen, die längst die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen,
aber „zumindest einen Eltern- oder Großelternteil haben“, der eingewandert ist –
der Viertelseinwanderer ist geschaffen (Art. 2 Begriffsbestimmungen)“

„Die Beherrschung der deutschen Sprache wird zur Sollvorschrift. (Art.4 Abs.2)
Wer den Sprachkurs nicht „erwartbar“ bewältigt, wird nachträglich zur Erstattung der Kosten verpflichtet.
Sollten wir diese Regelung auf deutsche Schüler übertragen, könnte das „Sitzenbleiben“ sehr teuer werden. (Art.4 , Abs.3)

„Wer bei Behörden einen Dolmetscher braucht,
muss ihn in Zukunft gegebenenfalls selbst bezahlen. (Art.4, Abs 4)“

„Kinder in Asylunterkünften sind aus der Schulpflicht und damit faktisch aus der Schule ausgeschlossen“ (Art. 17a/ Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, Art.36, Abs.2)“

„Der Grundsatz „Schulrecht folgt dem Asylrecht“ wird postuliert – jede Verschlechterung im Asylrecht wird unmittelbar auf die Kinder übertragen (Begründung Art. 17 a Abs.5 BayEuG, Absatz 2)

„(…) Die Medien werden per Sollvorschrift auf die Leitkultur verpflichtet. (Art.10)“

Leider kann kein Mensch erklären, für was diese deutsche Leitkultur stehen soll.
Das Kirchengeläut zur Mittagszeit, oder das Geschrei der Pegida – Anhänger?

„Die Sicherheitsbehörden sollen auch diejenigen verfolgen, denen keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu Last gelegt werden kann, aber durch demonstrative Regelverstöße auffallen. (Art. 13/1) Ihnen soll ein „Grundkurs über die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung „ auferlegt werden – wer daran nicht teilnimmt, wird mit einer Geldbuße belegt. (Art. 13/3)“

„Ohne Nachweis einer Straftat soll bis zu 50 000 Euro Geldbuße auferlegt werden können, wer die „geltende verfassungsgemäße Ordnung“ missachtet und einer damit „nicht zu vereinbarender Rechtsordnung“ folgt. (Art.14)

„Sicherheitsbehörden sollen an Menschen in Unterkünften von Asylbewerbern oder „unerlaubt Aufhältigen“ ohne richterlichen Beschluss und ohne Gefahr im Verzug Personenkontrollen (Art. 13Abs.l Nr.2 PAG), Fingerabdrücke, Lichtbilder, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale und Vermessungen (Art. 14.Abs.l PAG) vornehmen können, die Wohnungen ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss jederzeit, also Tag und Nacht, durchsuchen können (Art. 23 Abs,3 PAG)“

Hier soll ein Parallelrecht, nur für Asylbewerber, geschaffen werden.
Obrigkeitsstaatlichem Handeln und staatlicher Willkür werden Tür und Tor geöffnet.

Bei Schwimmbädern, Bibliotheken und anderen öffentlichen Einrichtungen soll gelten: „Die Zulassung nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer kann von einer vorherigen Belehrung und dem ausdrücklichen Anerkenntnis der bestehenden Vorschriften abhängig gemacht werden.“ Da man niemandem seinen Aufenthaltsstatus ansieht können Beschäftigte in den Einrichtungen dazu gezwungen werden, alle „ausländisch aussehenden“ auf ihren Aufenthaltsstatus zu kontrollieren und ggf. zu belehren und bei Weigerung den Zugang zu verweigern.(Art. 17 a zur Einführung des Art. 21 Abs.5 Gemeindeordnung, Art. 15 Abs.5 Landkreisordnung, Art. 15. Abs. 5 Bezirksordnung.“

Übersetzt heißt das: alle Asylbewerber sind potentielle Grabscher und Lüstlinge oder wissen sich ohne Belehrung nicht anständig zu benehmen. Die Betreiber öffentlicher Einrichtungen werden aufgefordert, jeden über die geltenden Vorschriften zu belehren, der undeutsch aussieht. Ich erspare mir das zu kommentieren.

Hier wird Flüchtlingen wird mit tiefsitzendem Misstrauen begegnet. Ihnen soll der Schutz vor obrigkeitsstaatlichem Handeln geraubt werden. Integrationsförderlich ist das alles nicht. Sollte dieses Gesetzt tatsächlich in Kraft treten, werden jene freiheitlich liberalen Werte beschädigt werden, auf die wir alle Wert legen sollten.

Meinungsbeitrag: Zoltán Jókay.
Zwar hier geboren, aber doch Einwanderer.

 

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