Achterbahn der Gefühle

S. ist ein vierzehnjähriges Mädchen aus unserem Helferkreis.
Sie hat uns folgenden Text zugeschickt:

 

Es war wieder eine fröhliche Hinfahrt zum Schwimmbad mit arabischer und deutscher Musik.
Dort angekommen wurde erst einmal die Rutsche bestaunt, wenn auch mit gemischten Gefühlen.
Was für uns schnell in seinen Bikini schlüpfen heißt, bedeutet für ein muslimisches Mädchen Badeanzug,
knöchellange Hose, ärmellanger Pulli und Schwimmkappe überstreifen…
Mit vereinten Kräften ist schließlich auch die Badekappe über die Haarpracht gestülpt
und es geht weiter zu den Duschen.
Während die Jungs schon kräftig ihre Runden drehen,
fangen wir Mädchen erstmal zaghaft an, einen Fuß nach dem anderen in das eiskalte Wasser zu setzen.
Rutschen darf natürlich auch nicht fehlen und Ballspiele,
wo sich deutsche Kinder gerne anschließen, natürlich auch nicht.
Während die einen gar nicht genug vom Tauchen bekommen können,
erbringen die anderen ihre Zeit lieber im Dampfbad und im Whirlpool.
Da jeder Besuch einmal ein Ende haben muss, mussten wir uns schließlich auf den Weg machen.

Komplett ausgehungert machen wir einen Zwischenstopp bei einem Bäcker,
wo für manche das erste mal Breze auf dem Speiseplan steht.
Es wird noch kurz bei der Puchheimer Bücherei halt gemacht,
wo alle einen Ausweis bekommen und beim JUZ, das sie gleich herzlich aufnimmt.
Für ihr gutes Deutsch werden sie außerdem gelobt und man sieht die Augen der Jugendlichen
bei dem Fitnessraum und der Playstation leuchten.
In der Unterkunft zurück wird uns gleich super Essen und Getränke angeboten.
später spielen die Kleinen draußen zusammen verstecken,
während die Älteren sich drinnen über alles Mögliche unterhalten.

Auf einmal werden alle ernst und erzählen, dass heute morgen ein Syrer nach Ungarn abgeschoben wurde.
Seine Frist wäre genau in einer Woche abgelaufen und seine Frau ist auch schon hier.
Doch Deutschland hat entschieden, dass er nach Ungarn abgeschoben werden soll
und so kam die Polizei und hat ihn in das nächstbeste Flugzeug gesetzt.
In der Zwischenzeit hat der Asylhelferkreis alle nur erdenklich möglichen Hebel in Bewegung gesetzt,
was letztendlich leider trotzdem nichts geholfen hat. Sich im Flugzeug gewaltlos daneben zu benehmen,
so dass der Pilot sich weigert ihn mitzunehmen, hat er leider auch nicht geschafft und so musste er aufgeben.

Jetzt sitzt er in Ungarn für 3 Tage ohne Essen und Trinken im Gefängnis,
ohne etwas gemacht zu haben. Zusätzlich wurde ihm auch noch das Handy abgenommen
und er hat keinen Kontakt mehr zur Außenwelt. Wir hoffen, dass sie ihn gut behandeln.
Niemand weiß, ob er dieses Handy je wieder sehen wird.
Jedoch hat er sich fest vorgenommen, den ganzen Scheiß von vorne durchzumachen
und wieder nach Deutschland zu kommen. Seine Frau wartet doch hier auf ihn.
Viel Glück!!!!!

Nach dieser Geschichte war die Stimmung gedrückt und die Gesprächs-Themen wurden ernster;
allerdings nur bis ein syrisches Mädchen anfängt „Ein bisschen Frieden“ zu singen.
Gegen sieben Uhr verabschiedeten wir uns, wurden mit Dank und dem dringenden Wunsch,
dass wir sie bald wieder besuchen kommen, überschüttet und bis zum Auto begleitet.

Es war ein sehr schöner Tag mit jedoch gemischten Gefühlen.

Viele wissen vielleicht gar nicht was Asylbewerber in Ungarn erwartet,
aber es ist vergleichbar mit der Hölle und den Polizisten als Teufel.
Niemand, egal woher man kommt und welche Hautfarbe man hat, hat so etwas verdient!
So was nennt man unmenschliches Verhalten.

Wir hoffen, dass es unserem Freund gut geht
und wir ihn so lebensfroh wie früher wiedersehen werden…

(S., 14 Jahre)